Datum: 09.08.2024 | Autor: Ronald Perschke | Kategorie: Regulierung, Sachkunde
1. Einleitung
Die Nachfolge in einem Versicherungsmakler-Unternehmen ist eine komplexe Aufgabe, die sorgfältige Planung und Vorbereitung erfordert. Dabei sind verschiedene rechtliche, steuerliche und organisatorische Aspekte zu berücksichtigen.
Zu unterscheiden sind zunächst einmal der sogenannte Asset Deal und der Share Deal. Beim Asset Deal geht es um den Verkauf von zum Maklerunternehmen gehörenden Vermögenswerten und Wirtschaftsgütern. Der klassische Asset Deal eines Versicherungsmaklers ist der Bestandsverkauf. Der Share Deal zeichnet sich dadurch aus, dass Anteile an einer Versicherungsmaklergesellschaft (z.B. einer GmbH) verkauft werden. Hier wechselt also der Eigentümer der Gesellschaft, die Gesellschaft selbst bleibt bestehen.
Dieser Blogbeitrag gibt in mehreren Teilen einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die bei der Nachfolgeregelung zu beachten sind, und stellt die verschiedenen Möglichkeiten vor, wie eine erfolgreiche Unternehmensübergabe gestaltet werden kann. Im vorliegenden Beitrag geht es um den Bestandsverkauf eines Einzelmaklers oder einer Einzelmaklerin als Asset Deal.
2. Grundlage des Bestandskaufs
Was wird eigentlich beim Asset Deal eines Versicherungsmaklers verkauft? Im Rahmen eines Bestandskaufs ist das zu verkaufende Asset der „Bestand“. Verkauft werden also einerseits die Kundenbeziehungen und andererseits die daraus folgenden Courtagen seitens der Versicherer oder Pools. Der kaufende Makler übernimmt daher den Kundenbestand und erhält die Courtageansprüche von Versicherern oder Pools.
Möglich ist es auch, im Rahmen eines Asset Deals Personal oder Wirtschaftsgüter (EDV, Einrichtung etc.) zu übernehmen. Das geht dann jedoch über den regelmäßig nur gewünschten Bestandskauf hinaus.
3. Der Bestandskaufvertrag
Der Bestandskaufvertrag ist der Dreh- und Angelpunkt eines Asset Deals. Mit ihm werden die Verpflichtungen einerseits begründet und andererseits der „Bestand“ im Wege von Abtretungen übertragen. Wichtige Punkte, die man hierbei bedenken und regeln sollte, sind u.a.
- Vertragsgegenstand „Bestand“ – Kunden- und Vertragsspiegel
- Kaufpreis, Fälligkeit, Absicherung usw.
- Geschäftsgrundlage und Kaufpreisanpassung
- Bestandsschutz, Wettbewerbsabrede
- Umgang mit Stornorisiken
- Haftung und Freistellungen
- Übergangsregelungen
- Übergabe von Daten und Unterlagen
- u.w. Die Einzelheiten einer Vertragsgestaltung hängen von der Art des Bestandes und von den beidseitigen Vorstellungen der Übertragung ab. Hier empfiehlt sich regelmäßig eine anwaltliche Beratung, auch um Haftungsfallen (s.u.) zu vermeiden.
4. Kaufpreisermittlung
Der Wert eines Versicherungsmaklerbestands wird letztlich durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt bestimmt. Der Marktpreis richtet sich danach, was ein potenzieller Käufer bereit ist, zu zahlen. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, die den Wert des Bestands in den Augen des Käufers beeinflussen.
Betrachten wir das Beispiel eines Maklers, der auf landwirtschaftliche Versicherungen spezialisiert ist. Der Makler betreibt sein Geschäft als Einzelunternehmen, hat sein Büro in seinem Haus auf dem Land und beschäftigt neben seiner Ehefrau in der Buchhaltung noch eine 450-Euro-Kraft für Datenerfassung, Telefondienst und Marketingaktionen.
Der Makler erzielt einen Gesamtumsatz von 150.000 Euro, davon entfallen ca. 100.000 Euro auf laufende Courtageumsätze. Er betreut ca. 1.000 Kunden mit 3.000 Versicherungsverträgen, wobei die KFZ-Quote etwa 20% beträgt. Die riskierte Provision liegt bei 50.000 Euro, die Stornoreserven sind leicht darunter, und die Stornoquote liegt unter 1%. Die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) weist vor Zinsen und Steuern einen Gewinn von 115.000 Euro aus. Die Frage ist nun, was so ein Bestand „wert“ ist. Die Kanzlei Oliver Korn hat sich auf die Beratung zum Verkauf von Versicherungsmaklerbeständen spezialisiert. Hier der Link zur Kanzlei.
4.1. Verschiedene Bewertungsmethoden für Versicherungsmaklerbestände
In der Praxis begegnen uns verschiedene Methoden zur Bewertung von Versicherungsmaklerbeständen, von denen einige komplexer und subjektiver sind als andere.
Bonus- und Malus-System
Eine der abenteuerlichsten Methoden, die wir gesehen haben, ist ein Bonus- und Malus-System mit willkürlich festgelegten Faktoren. Hierbei wird festgelegt, welche Einflüsse (wie MVP, Durchschnittsalter der Kunden usw.) wertsteigernd und welche wertmindernd sind. Der Kaufpreis wird dann ermittelt, indem der Jahresumsatz mit dem arithmetischen Mittel der Boni und Mali multipliziert wird. Ein Beispiel dafür ist ein „Gutachten“, das auf dieser Methode basiert und einen Kaufpreis von 161.000 Euro (115.000 Euro x 1,4) empfiehlt. Würden Sie für diesen Preis verkaufen? Wahrscheinlich nicht.
Courtage-Multiplikatoren
Eine weitere gängige Methode ist die Berechnung mittels Courtage-Vielfachen. Hierbei werden verschiedene Courtagearten mit festgelegten Faktoren multipliziert: z.B. Sachcourtage, Leben und KV-Courtage x 2,5 = 200.000 Euro + KFZ-Courtage x 1 = 20.000 Euro, was zu einem Kaufpreis von ca. 220.000 Euro führt. Diese Methode kann eine erste Orientierung bieten, berücksichtigt jedoch nicht ausreichend die Besonderheiten des Bestands, sein Potenzial und seine Positionierung in Zielgruppen.
Modifiziertes Ertragswertverfahren
Das modifizierte Ertragswertverfahren projiziert die Erträge der Vergangenheit auf die Zukunft und diskontiert diese über einen verkürzten Zeitraum von beispielsweise 5 Jahren mit einem Abzinsungssatz von z.B. 5,5%. In unserem Beispiel ergäbe sich hierbei ein Wert von ca. 235.000 Euro.
EBIT-Multiples
Die Bewertung mittels EBIT-Multiples basiert auf Fachpublikationen, die aktuelle Marktwerte aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen veröffentlichen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass viele Einzelmakler ihren Gewinn entnehmen und sich kein klassisches Gehalt zahlen. In unserem Beispiel müsste ein regional vergleichbares Fremdgeschäftsführer-Gehalt berücksichtigt und das ausgewiesene EBIT um nicht betriebsbedingte Positionen bereinigt werden. Die Berechnung mit EBIT-Multiples könnte in diesem Fall wie folgt aussehen: Bereinigtes EBIT von 120.000 Euro – kalkulatorisches Gehalt eines Fremd-GF in der Region von z.B. 60.000 Euro = 60.000 Euro x 4,1 = 246.500 Euro bis x 5,9 = 354.000 Euro. Selbst im unteren Bereich liegt der ermittelte Preis noch deutlich über den vorher genannten Methoden.
Fazit
Vier verschiedene Bewertungsmethoden führen zu vier unterschiedlichen Werten. Welcher Wert ist nun der richtige? Maklerkollegen haben in der Vergangenheit mehrere tausend Euro für solche „Bewertungen“ bezahlt, weil diese als hochkomplizierte Wissenschaft verkauft wurden. Letztendlich ist der tatsächliche Wert eines Maklerbestands jedoch der Preis, den ein Käufer bereit ist zu zahlen. Es ist entscheidend, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer die besonderen Merkmale und Potenziale des Bestands verstehen und in die Preisfindung einbeziehen. Nur so kann ein fairer und marktorientierter Preis erzielt werden.
5. Achtung: Haftungsfallen
Mit einem Bestandskauf geht normalerweise keine Haftung automatisch auf den Käufer über. Aber es kommt auf die Feinheiten an. Bestandskauf bedeutet, dass die Parteien regelmäßig keine Betriebsnachfolge wünschen. Denn hierbei gibt es die Gefahr, dass die Haftung „mitgeht“. Zum Beispiel gilt es, auf Punkte wie diese zu achten:
- Fortführung der bisherigen Firma (kaufmännischer Name des Vormaklers): Haftung für „alte“ Beratungsfehler?
- Übernahme von Betriebs- und Arbeitsmitteln: Betriebsübergang nach § 613a BGB, sodass Arbeitnehmer übergehen?
- Datenschutz: Liegen Voraussetzungen für datenschutzkonforme Übertragung vor? Kann nach Code of Conduct verfahren werden?
- u.v.m.
6. Steuerliche Aspekte
Die steuerlichen Konsequenzen der Unternehmensnachfolge dürfen nicht unterschätzt werden. Je nach Gestaltung der Übergabe können erhebliche Steuerbelastungen entstehen. Es ist daher sinnvoll, einen Steuerberater zu konsultieren, der bei der Optimierung der steuerlichen Rahmenbedingungen hilft. Eine frühzeitige steuerliche Planung kann dazu beitragen, die Steuerlast zu minimieren und die finanziellen Auswirkungen der Nachfolge zu optimieren.
6.1. Welche Steuern fallen beim Verkauf eines Versicherungsmaklerbestands an?
In der Regel sind Veräußerungsgewinne steuerpflichtig. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Sachlagen und unterschiedlicher steuerlicher Behandlungen beim Verkauf eines Kundestamms beziehungsweise eines Maklerunternehmens (Teilverkauf oder Gesamtverkauf, Rechtsform, altersabhängige Steuerermäßigungen etc.) sollten Sie sich unbedingt von einem Steuerexperten beraten lassen.
Im Allgemeinen gilt, dass die steuerliche Situation beim Verkauf von kompletten Unternehmen günstiger ist als beim Abstoßen einzelner Vermögenswerte (reiner Bestandsverkauf als Asset Deal). Denn der Gesetzgeber möchte Unternehmensverkäufe nicht unnötig erschweren. Diese Steuerarten sollten Sie vor dem Verkauf bedenken.
- Umsatzsteuer
- Einkommensteuer
- ggf. Kirchensteuer
- Umsatzsteuer: Unterscheidung zwischen Komplett- oder Teilverkauf
Die gute Nachricht zuerst: Der Gewinn aus einem Unternehmensverkauf ist grundsätzlich nicht umsatzsteuerpflichtig – sofern das Unternehmen im Ganzen verkauft wird. Das gilt sowohl für juristische Personen als auch für Personengesellschaften und Einzelunternehmungen. Auch wenn ein für sich abgeschlossener Teilbetrieb verkauft wird, lässt sich die Umsatzsteuer umgehen.
Anders sieht es beim Verkauf von Rechten aus. Der Erlös daraus ist unterliegt der Umsatzsteuer. Wenn Sie also beispielsweise erst einmal nur den betreuungsintensiven Sachbestand veräußern wollen bzw. die Courtageansprüche daraus, dürfte dafür Umsatzsteuer anfallen.
6.2. Einkommensteuer: Fünftelregelung, Ermäßigung ab 55, persönlicher ESt-Satz
Kompliziert ist beim Unternehmensverkauf vor allem die Ertragssteuer; für Versicherungsmakler bedeutet das in der Regel konkret die Einkommensteuer. Entscheidend für die steuerliche Behandlung sind vor allem zwei Fragen:
- Ist der Verkäufer eine Privatperson oder eine juristische Person?
- Handelt es sich um einen Asset Deal oder einen Share Deal?
Grundsätzlich müssen Veräußerungsgewinne versteuert werden. Wenn Sie beim Verkauf über 55 Jahre alt oder dauerhaft berufsunfähig sind, können allerdings Sonderregelungen angewendet werden, die die Steuerlast reduzieren. Dazu zählt ein Freibetrag in Höhe von maximal 45.000 Euro gemäß § 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie ermäßigter Steuersatz auf außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 3 EStG.
Zudem kann die sogenannte Fünftelregelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG die Steuerlast abmildern. Dabei wird der Veräußerungsgewinn rechnerisch auf fünf Jahre verteilt, sodass die Basis für die Berechnung der individuellen Einkommensteuer niedriger ausfällt.
Im Allgemeinen gilt:
- Bei Personengesellschaften und Einzelunternehmungen: Der Verkaufsgewinn wird mit Ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert.
- Bei juristischen Personen (z. B. Verkauf einer GmbH): Wahl zwischen Fünftelregelung oder ermäßigtem Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EstG
Einzelunternehmen o. Personengesellschaft | Juristische Person (GmbH) | |
---|---|---|
Bestandsübertragung | Kunden müssen angeschrieben und auf ihr Widerspruchsrecht wegen Betreuungswechsel hingewiesen werden. Versicherer müssen Bestände auf neue Vermittlernummer übertragen; das dauert monatelang und ist fehleranfällig, da viele Versicherer BUs manuell bearbeiten. | Kunden sind Kunden der GmbH, durch den Eigentümerwechsel ändert sich nichts am Rechtsverhältnis. Daher muss Kunden auch kein Widerspruchsrecht eingeräumt werden. Und noch wichtiger: Der Versicherer muss den Bestand nicht übertragen. |
Notar erforderlich | nein | ja |
Umsatzsteuer | Entfällt, sofern Unternehmen als Ganzes oder mindestens als abgeschlossener Teilbetrieb veräußert wird. | nicht umsatzsteuerpflichtig |
Einkommensteuer | Persönlicher Einkommenssteuersatz | Standardmäßig: Fünftelregelung |
Wert | Berechnungsgrundlage für den Kaufpreis ist i. d. R. der Bestand bzw. die Höhe der Bestandspflege pro Jahr. Üblich sind das 2,5- bis 3,5-Fache der BP, bei KFz meist nur 1- bis 1,5-fach. | Bei GmbH mit Mitarbeiterstruktur, mit der der Bestand weiter betreut werden kann, wird meist der Gewinn als Berechnungsgrundlage herangezogen. Als Kaufpreis wird abhängig von der Unternehmensgröße das 4- bis 7-Fache des Gewinns veranschlagt. Wurden dabei das Geschäftsführergehalt anteilig herausgerechnet. Ohne Mitarbeiterstruktur wird bei Einzelunternehmern meist die Bestandspflege als Berechnungsgrundlage. |
Todesfall | In Courtagezusagen steht, dass der Bestand an die Versicherung fällt. In der Praxis wird dies nicht gelebt und Bestände können verkauft werden. Für Hinterbliebene ist dies schwer zu überblicken, was den Verkauf erschwert. | Die Maklerfirma kann verkauft werden. |
7. Möglichkeiten der Nachfolgeregelung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Nachfolge in einem Versicherungsmakler-Unternehmen zu regeln. Die Wahl der passenden Nachfolgelösung hängt von den individuellen Gegebenheiten und den persönlichen Präferenzen des Inhabers ab.
Interne Nachfolge
Eine interne Nachfolge durch ein Familienmitglied oder einen langjährigen Mitarbeiter kann eine gute Lösung sein. Diese Personen kennen das Unternehmen bereits und haben oft ein starkes persönliches Interesse am Fortbestand des Geschäfts.
Externe Nachfolge
Eine externe Nachfolge durch einen qualifizierten Käufer bietet die Möglichkeit, das Unternehmen an eine Person oder ein Unternehmen zu übergeben, die über die notwendigen Qualifikationen und Erlaubnisse verfügt. Diese Option kann besonders attraktiv sein, wenn kein geeigneter interner Nachfolger vorhanden ist.
Kooperationen
Eine Kooperation mit einem anderen Maklerunternehmen kann ebenfalls eine Möglichkeit sein, die Nachfolge zu regeln. Hierbei können Synergien genutzt und die Kompetenzen beider Unternehmen gebündelt werden, um eine erfolgreiche Übergabe zu gewährleisten.
8. Fazit
Die Nachfolge in einem Versicherungsmakler-Unternehmen erfordert eine sorgfältige Planung und Berücksichtigung verschiedener Aspekte. Rechtliche Rahmenbedingungen, die erforderliche Erlaubnis nach § 34d GewO, die Bestandsübertragung, vertragliche Regelungen und steuerliche Aspekte sind dabei besonders wichtig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Nachfolgeregelung, die je nach individueller Situation und Präferenzen gewählt werden können. Eine frühzeitige und gründliche Planung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Unternehmensübergabe.
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