Nachhaltigkeit spielt eine immer wichtigere Rolle in der gesamten Wirtschaft, und auch der Versicherungsvertrieb bleibt von diesem Wandel nicht unberührt. In einer Welt, die sich zunehmend mit Klimawandel, sozialen Ungleichheiten und verantwortungsvoller Unternehmensführung auseinandersetzt, ist es entscheidend, dass Unternehmen und Vermittlerinnen und Vermittler ihre Strategien anpassen. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ umfasst dabei nicht nur ökologische Aspekte, sondern auch soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung – zusammengefasst unter dem Begriff ESG (Environmental, Social, Governance).
Der Druck zur nachhaltigen Transformation kommt aus verschiedenen Richtungen. Einerseits gibt es eine steigende Nachfrage von Kundinnen und Kunden nach nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten. Immer mehr Menschen legen Wert darauf, dass ihr Geld nicht nur sichere Erträge bringt, sondern auch positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft hat. Sie möchten wissen, ob ihre Versicherungsgesellschaften nachhaltige Investitionen tätigen oder ob sie Unternehmen unterstützen, die ökologischen und sozialen Kriterien entsprechen. Dieser Wertewandel zeigt sich insbesondere bei jüngeren Generationen, die bewusster konsumieren und hohe Erwartungen an Unternehmen stellen.
Andererseits erhöhen gesetzliche Vorschriften den Druck auf die Versicherungsbranche, sich nachhaltiger aufzustellen. Insbesondere auf europäischer Ebene gibt es zahlreiche neue Regelungen, die Finanzdienstleisterinnen und Finanzdienstleister dazu verpflichten, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Beratung und ihre Produktangebote zu integrieren. Dazu gehört unter anderem der EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“, der darauf abzielt, Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen zu lenken und Risiken durch Klimawandel oder soziale Missstände in Finanzentscheidungen zu berücksichtigen. Vermittlerinnen und Vermittler müssen sich also nicht nur mit den Erwartungen der Kundinnen und Kunden auseinandersetzen, sondern auch mit steigenden regulatorischen Anforderungen.
Die Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) ist eines der zentralen Regelwerke in diesem Zusammenhang. Sie verpflichtet Finanzinstitute, offenzulegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Investitionsentscheidungen einfließen lassen. Für Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler bedeutet dies, dass sie in der Beratung klar kommunizieren müssen, welche nachhaltigen Aspekte in den angebotenen Produkten berücksichtigt werden. Wer sich frühzeitig mit diesen Anforderungen auseinandersetzt, kann nicht nur regulatorische Hürden besser meistern, sondern sich auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Doch nicht nur auf gesetzlicher Ebene verändert sich die Branche. Auch Versicherungsunternehmen selbst treiben den Wandel voran, indem sie nachhaltige Produkte entwickeln und neue Richtlinien für ihre Kapitalanlagen erarbeiten. Nachhaltigkeitskriterien werden zunehmend als Maßstab für unternehmerische Verantwortung und langfristige Risikominimierung angesehen. Vermittlerinnen und Vermittler stehen daher vor der Herausforderung, sich in diesem komplexen Umfeld zurechtzufinden und ihr Wissen kontinuierlich zu erweitern, um eine kompetente Beratung zu gewährleisten.
Der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit bietet jedoch nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen. Vermittlerinnen und Vermittler, die sich frühzeitig mit nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten auseinandersetzen, können sich als Expertinnen und Experten in diesem Zukunftsbereich positionieren. Sie können das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden stärken, indem sie glaubwürdig und transparent nachhaltige Lösungen aufzeigen. Dies kann nicht nur die Kundinnen- und Kundenbindung fördern, sondern auch neue Zielgruppen erschließen, die bisher wenig Interesse an klassischen Versicherungsprodukten hatten.
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein für die Art und Weise, wie Nachhaltigkeit im Versicherungsvertrieb verankert wird. Es wird darauf ankommen, regulatorische Vorgaben zu erfüllen, aber auch innovative und praxisnahe Lösungen zu entwickeln, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Vermittlerinnen und Vermittler, die sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen und ihre Beratungskompetenz erweitern, können sich nicht nur an die neuen Rahmenbedingungen anpassen, sondern langfristig auch wirtschaftlich profitieren.
3. Die Offenlegungs- und Transparenzverordnung (TVO): Anforderungen an Vermittlerinnen und Vermittler
Nachhaltigkeit spielt nicht nur eine immer größere Rolle in der Gesellschaft, sondern wird auch regulatorisch in der Finanz- und Versicherungsbranche verankert. Ein zentraler Baustein dieser Entwicklung ist die Offenlegungs- und Transparenzverordnung (TVO), auch bekannt als Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Diese Verordnung wurde von der Europäischen Union erlassen, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsrisiken in Finanzprodukten und -dienstleistungen transparenter behandelt werden.
Die TVO ist seit dem 10. März 2021 in Kraft und verpflichtet Finanzdienstleisterinnen und Finanzdienstleister, einschließlich Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler, detailliert offenzulegen, wie sie Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Beratung und Produktempfehlungen einbeziehen. Diese Regelung hat weitreichende Auswirkungen auf die Versicherungsvermittlung, da sie nicht nur eine transparente Kundenkommunikation verlangt, sondern auch erweiterte Dokumentationspflichten mit sich bringt.
Was regelt die Offenlegungs- und Transparenzverordnung?
Die TVO verfolgt das Ziel, Kundinnen und Kunden besser über die Nachhaltigkeitsrisiken von Finanzprodukten aufzuklären. Dabei geht es insbesondere um folgende Aspekte:
-
Nachhaltigkeitsrisiken in Anlageentscheidungen
Vermittlerinnen und Vermittler müssen angeben, ob und wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Beratungsprozess einfließen lassen. Dazu gehört eine Bewertung der ökologischen, sozialen und ethischen Risiken, die sich auf die finanzielle Performance eines Produkts auswirken könnten. -
Erklärung zu den nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts – PAI)
Vermittlerinnen und Vermittler, die nachhaltige Finanzprodukte anbieten, müssen darlegen, welche negativen ökologischen oder sozialen Auswirkungen ihre empfohlenen Produkte haben können. Dazu gehören beispielsweise CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch oder Verstöße gegen Menschenrechte. -
Einstufung der Finanzprodukte in verschiedene Kategorien
Finanzprodukte werden gemäß der TVO in drei Hauptkategorien unterteilt:- Artikel-6-Produkte: Produkte ohne spezifische Nachhaltigkeitsstrategie
- Artikel-8-Produkte („hellgrüne“ Produkte): Produkte, die Umwelt- oder Sozialmerkmale berücksichtigen
- Artikel-9-Produkte („dunkelgrüne“ Produkte): Produkte mit explizitem Nachhaltigkeitsziel, wie z. B. Impact Investing
Was bedeutet die TVO für den Versicherungsvertrieb?
Die Offenlegungs- und Transparenzverordnung bringt für Vermittlerinnen und Vermittler einige neue Verpflichtungen mit sich, die den Beratungsprozess erheblich verändern:
-
Transparente Beratungspflicht
Vermittlerinnen und Vermittler müssen Kundinnen und Kunden künftig explizit darauf hinweisen, wie nachhaltig die empfohlenen Versicherungs- oder Anlageprodukte sind. Diese Informationen müssen klar verständlich und leicht zugänglich sein. -
Dokumentationspflichten
Alle Angaben zu Nachhaltigkeitskriterien müssen schriftlich dokumentiert werden. Dies erfordert eine gründliche Analyse der Produkte sowie eine Nachvollziehbarkeit der Beratungsgespräche. -
Erweiterte Produktauswahl
Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler müssen sich stärker mit nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten auseinandersetzen und sicherstellen, dass sie eine geeignete Produktauswahl für ihre Kundinnen und Kunden bereithalten. -
Weiterbildung und Schulungen
Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, müssen Vermittlerinnen und Vermittler ihr Fachwissen im Bereich Nachhaltigkeit regelmäßig aktualisieren. Viele Versicherer und Finanzinstitute bieten hierfür spezielle Schulungen an, um ihre Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartner auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten.
Chancen durch die TVO: Warum Vermittlerinnen und Vermittler profitieren können
Auch wenn die TVO zunächst als zusätzliche bürokratische Hürde erscheint, bringt sie für den Versicherungsvertrieb auch neue Geschäftschancen mit sich:
- Mehr Vertrauen durch Transparenz: Kundinnen und Kunden legen immer mehr Wert auf nachhaltige Produkte. Eine offene und ehrliche Kommunikation über die Nachhaltigkeitsmerkmale von Versicherungsprodukten kann das Vertrauen stärken.
- Wettbewerbsvorteil durch Spezialisierung: Vermittlerinnen und Vermittler, die sich als Expertinnen und Experten für nachhaltige Versicherungen positionieren, können eine neue Zielgruppe ansprechen und sich vom Wettbewerb abheben.
- Regulatorische Sicherheit: Die TVO hilft dabei, den Markt für nachhaltige Finanzprodukte zu standardisieren. Wer die Anforderungen frühzeitig erfüllt, vermeidet Strafen und rechtliche Unsicherheiten.
- Langfristige Kundenbindung: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Entwicklung. Wer Kundinnen und Kunden in diesem Bereich gut berät, sichert sich deren Vertrauen und Loyalität für die Zukunft.
Herausforderungen für den Versicherungsvertrieb
Trotz der vielen Chancen gibt es auch einige Herausforderungen, mit denen sich Vermittlerinnen und Vermittler auseinandersetzen müssen:
- Erhöhter Zeitaufwand für Beratung und Dokumentation
- Schwierigkeiten bei der Bewertung nachhaltiger Produkte, da es oft an einheitlichen Standards fehlt
- Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weiterbildung, um den sich ändernden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden
4. Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in den Beratungsprozess
Die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in den Beratungsprozess stellt für Vermittlerinnen und Vermittler eine neue Herausforderung dar. Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, sich als kompetente Ansprechpersonen für nachhaltige Versicherungs- und Finanzprodukte zu positionieren. Die steigenden gesetzlichen Anforderungen durch die Offenlegungsverordnung (TVO) sowie der Wunsch vieler Kundinnen und Kunden nach transparenter und nachhaltiger Beratung erfordern eine gezielte Anpassung der Beratungsstrategie.
Was sind Nachhaltigkeitsrisiken?
Nachhaltigkeitsrisiken sind ökologische, soziale oder unternehmensbezogene Faktoren, die sich negativ auf den Wert einer Versicherung oder eines Anlageprodukts auswirken können. Dazu zählen beispielsweise:
- Ökologische Risiken: Klimawandel, Umweltverschmutzung, Verlust natürlicher Ressourcen
- Soziale Risiken: Menschenrechtsverletzungen, schlechte Arbeitsbedingungen, Diskriminierung
- Unternehmensbezogene Risiken: Mangelhafte Unternehmensführung, Korruption, Intransparenz
Diese Risiken können sowohl direkte finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen und Versicherungen haben als auch langfristige wirtschaftliche Schäden verursachen. Ein Beispiel hierfür sind Naturkatastrophen, die aufgrund des Klimawandels zunehmen und hohe Versicherungsschäden verursachen können.
Wie sollten Vermittlerinnen und Vermittler Nachhaltigkeitsrisiken in die Beratung integrieren?
Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Beratungsprozess erfordert eine strukturierte Vorgehensweise. Vermittlerinnen und Vermittler sollten die folgenden Schritte beachten:
-
Analyse der angebotenen Produkte
Es ist essenziell, sich einen Überblick über die verfügbaren nachhaltigen Produkte zu verschaffen. Dazu gehören sowohl Versicherungen als auch Anlageprodukte, die ökologische, soziale und ethische Kriterien berücksichtigen. Viele Versicherer bieten bereits spezielle nachhaltige Tarife oder Anlageoptionen an. -
Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden
Bereits zu Beginn des Beratungsgesprächs sollte geklärt werden, ob die Kundinnen und Kunden Wert auf Nachhaltigkeitskriterien legen. Dabei können folgende Fragen helfen:- Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Versicherung nachhaltige Investments tätigt?
- Legen Sie Wert darauf, dass Ihr Versicherer bestimmte Branchen meidet (z. B. fossile Energien oder Rüstungsindustrie)?
- Sollen soziale Kriterien wie Arbeitsrechte oder Gleichberechtigung eine Rolle spielen?
-
Verständliche Kommunikation über Nachhaltigkeitsrisiken
Die Beratung zu Nachhaltigkeitsaspekten sollte in einfacher und verständlicher Sprache erfolgen. Viele Kundinnen und Kunden sind mit Begriffen wie ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) oder Impact Investing nicht vertraut. Es ist wichtig, die Bedeutung von Nachhaltigkeitsrisiken in praktischen Beispielen zu erklären. -
Anpassung der Produktempfehlung an Nachhaltigkeitsziele
Basierend auf den Präferenzen der Kundinnen und Kunden können Vermittlerinnen und Vermittler gezielt nachhaltige Versicherungs- oder Finanzprodukte empfehlen. Dabei sollte klar aufgezeigt werden, welche Produkte besonders hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllen (z. B. Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte nach der TVO). -
Transparente Dokumentation
Alle Beratungsschritte sollten dokumentiert werden, um die Einhaltung der neuen regulatorischen Anforderungen nachzuweisen. Eine schriftliche Bestätigung der Nachhaltigkeitspräferenzen kann helfen, spätere Missverständnisse zu vermeiden und die Beratung nachvollziehbar zu machen.
Welche Vorteile bringt die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken?
Die gezielte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Beratung hat nicht nur regulatorische Gründe, sondern bringt auch zahlreiche Vorteile für Vermittlerinnen und Vermittler:
- Höhere Kundenzufriedenheit: Immer mehr Kundinnen und Kunden erwarten, dass Nachhaltigkeit aktiv in die Beratung einbezogen wird. Wer diesen Erwartungen gerecht wird, stärkt die Kundenbindung.
- Bessere Wettbewerbsposition: Vermittlerinnen und Vermittler, die frühzeitig nachhaltige Produkte in ihr Portfolio aufnehmen, können sich als Vorreiterinnen und Vorreiter im Markt positionieren.
- Langfristige Risikominimierung: Nachhaltige Investitionen sind oft langfristig stabiler und bieten eine bessere Absicherung gegen zukünftige wirtschaftliche und ökologische Krisen.
- Erfüllung gesetzlicher Vorgaben: Die Offenlegungspflichten nach der TVO werden durch eine strukturierte Integration von Nachhaltigkeitsrisiken einfacher erfüllt, was potenzielle rechtliche Risiken reduziert.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Beratung kann jedoch auch Herausforderungen mit sich bringen:
- Komplexität der Materie: Nachhaltige Finanz- und Versicherungsprodukte sind oft schwer verständlich. Lösung: Einfache Erklärungen und praxisnahe Beispiele helfen, das Thema zugänglicher zu machen.
- Mangel an einheitlichen Standards: Die Definition von Nachhaltigkeit ist nicht immer eindeutig. Lösung: Orientierung an offiziellen Vorgaben wie der EU-Taxonomie oder den ESG-Kriterien hilft, Klarheit zu schaffen.
- Zeitaufwand für Weiterbildung: Vermittlerinnen und Vermittler müssen sich kontinuierlich über neue Regelungen und Produkte informieren. Lösung: Schulungen und Kooperationen mit Versicherungsanbietern können den Wissenstransfer erleichtern.
Fazit: Nachhaltigkeitsrisiken als integraler Bestandteil der Beratung
Die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in den Beratungsprozess ist eine unvermeidbare Entwicklung in der Versicherungsbranche. Vermittlerinnen und Vermittler, die sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen, können nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllen, sondern auch einen klaren Mehrwert für ihre Kundinnen und Kunden schaffen. Die Zukunft der Versicherungsberatung wird zunehmend von Nachhaltigkeit geprägt sein – wer sich frühzeitig anpasst, wird langfristig erfolgreicher sein.